Profil des Gewerbeverbandes Niestetal e.V.

Im März 1954 entschieden sich Gewerbetreibende in Sandershausen dazu, sich in einem Gewerbeverband „Handel, Handwerk und freie Berufe Sandershausen” zusammen zu schließen, um gemeinsame Ideen zu verwirklichen und Interessen zu bündeln. Bereits einige Jahre später, am 11. September 1958 gründete sich im damaligen Ortsteil Heiligenrode ein Gewerbeverband mit ähnlichen Zielsetzungen


Nach dem Zusammenschluss der beiden Ortsteile zum heutigen Niestetal im Jahr 1972 arbeiteten auch die beiden Gewerbeverbände immer mehr zusammen. Letztlich entschied man sich im Jahr 1999 zum Zusammenschluss der beiden Organisationen zum heutigen Gewerbeverband Niestetal.


Zur Entstehung des Gewerbeverbandes Niestetal

Ortsteil - Sandershausen

Die Wurzeln des Gewerbeverbandes Sandershausen reichen weit in die Vergangenheit zurück. Nachdem die Kriegswirren sich einigermaßen gelegt hatten, führten die Gewerbetreibenden die traditionellen Stammtische wieder ein, um sich in unregelmäßigen Abständen über aktuelle Themen der heimischen Wirtschaft und der hiesigen Gemeindepolitik auszutauschen. Doch schon bald regte sich bei den Teilnehmern der Wunsch nach mehr.

Im März 1954 traf man sich daher im Gasthaus „Zur Insel”, um die „Ortsvereinigung für Handel, Handwerk und freie Berufe Sandershausen” zu gründen. Werner Bosch (1. Vorsitzender), Wilhelm Krug (2. Vorsitzender), Heinz Schier (Kassierer), Claus Jäger (Schriftführer), Fritz Austermühl, Otto Hemmelmann und Dr. Werner Distelkötter (alle Festausschuss) bildeten gemeinsam den ersten Vorstand. Sie hatten sich zuvor bei der Handwerkskammer Kassel über alle Rechte und Pflichten eines solchen Verbandes informiert und waren sich sicher: Ein Gewerbeverband war genau das, was Sandershausen brauchte.
Aufgaben und Ziele der Ortsvereinigung waren von Anbeginn an klar umrissen: Ein geschlossener Auftritt der Gewerbetreibenden und Vollerwerbsbauern sollte Einfluss auf die wirtschaftlichen und kommunalpolitischen Belange in ihrem Umfeld nehmen und die Interessen der Mitglieder nachhaltiger durchsetzen als dies einer einzelnen Person oder einem einzelnen Unternehmen jemals möglich gewesen wäre.

Die Probleme mit der Politik und der Gemeinde waren damals mannigfaltig, denn Mitte der Fünfziger Jahre wurde dem Handel und Gewerbe nicht annährend ein so hoher Stellenwert beigemessen wie heute. Ganz im Gegenteil: Was heute gerne als „Motor der Wirtschaft” bezeichnet wird, nämlich der Mittelstand, wurde früher von vielen Politikern eher als unumgängliches Übel empfunden, das mehr Probleme als Nutzen mit sich brachte. Werner Bosch war nicht nur langjähriger Vorsitzender im Verein, sondern zugleich auch aktiv in der Gemeindevertretung tätig. Er war es maßgeblich, der oftmals einen Interessenausgleich zwischen der Ortsvereinigung und der Gemeinde erzielen konnte. Um seine Verdienste angemessen zu würdigen, benannte Niestetal nach seinem Tode eine Straße nach ihm.

Nicht weniger gewertet als der wirtschaftliche Aspekt wurde von den Gründungsmitgliedern allerdings auch der soziale Nutzen, denn auf das gesellige Miteinander wurde von Anfang an großen Wert gelegt. Jährlich zwei Veranstaltungen standen auf dem Programm: Die Feste im Gasthaus Hemmelmann galten damals als „das” gesellschaftliche Highlight. Nicht nur gutes Essen und gepflegtes Miteinander erwartete die Gäste, sondern die Organisatoren ließen sich immer etwas ganz besonderes einfallen. Zum Beispiel Theater- und Oper-Aufführungen mit hochkarätiger Besetzung des Staatstheaters Kassel oder Tanz-Wettbewerbe mit Orchesterbegleitung boten stets einen außergewöhnlichen Rahmen für die Veranstaltungen ? bei der übrigens Abendkleidung für die Damen und Frack für die Herren vorgeschrieben waren. Die Mitglieder wussten dies zu würdigen und nahmen stets in großer Zahl teil.

Der Erfolg des Verbandes sprach sich schnell herum, und bereits ein paar Jahre nach der Gründung zählte der Verband stolze 54 Mitglieder. Um eine angemessene Informations- und Werbeplattform zu nutzen, wurde 1962 von der Ortsvereinigung der „Gemeindespiegel” ins Leben gerufen. Die kleine Zeitung, die anfänglich aus vier Seiten bestand, wurde von Claus Jäger und Herbert Bachmann in ehrenamtlicher Arbeit bearbeitet und informierte monatlich über 12 Jahre lang bis zur Einstellung 1972 über das Zeitgeschehen aus Politik, Wirtschaft und Vereinsleben in Sandershausen.

Der positiven Entwicklung der Gemeinde Niestetal folgend, war es nur logisch und konsequent, dass sich die beiden, bisher selbstständigen Ortsverbände von Heiligenrode und Sandershausen zusammenschlossen und seit dem 1. Januar 1999 gemeinsam ihre förderliche Arbeit als „Gewerbeverband Niestetal” fortsetzten.


Ortsteil - Heiligenrode


Das Gasthaus Umbach war im Jahr 1921 nicht nur ein beliebter Treffpunkt vieler Heiligenröder, sondern auch die Gründungsstätte eines Vorläufers unseres heutigen Gewerbeverbandes. Schon seit längerem trafen sich hier Handwerker und Kleingewerbetreibende, um über ihre wirtschaftliche Situation zu diskutieren. Am 17. Mai 1921 gründeten insgesamt 16 von ihnen die „Ortsgruppe des deutschen Handwerkerbundes Heiligenrode”. Es waren überwiegend Ein-Mann-Betriebe, die sich zu dieser Vereinigung zusammen schlossen. Man wollte nicht mehr länger neben oder gar gegeneinander arbeiten und handeln, sondern ein organisiertes Miteinander sollte künftig im Vordergrund stehen.

Nach dem die Ortsgruppe zwölf Jahre existierte, brachte das Jahr 1933 durch die Machtübernahme Hitlers und der NSDAP einschneidende Veränderungen mit sich. Bereits im Mai des gleichen Jahres trat das Gleichschaltgesetz in Kraft. Es besagte, dass in jedem Verein auch eine Mindestzahl NSDAP-zugehöriger Mitglieder sein müsse. Dies war in Heiligenrode jedoch nicht der Fall, denn es fanden sich nicht genügend Gefährten die zum Parteieintritt bereit waren. Das bedeutete somit erst einmal das Aus der Ortsgruppe.

Nach dem Kriegsende und den Jahren des raschen Wiederaufbaues dauerte es einige Zeit, bis der Wunsch nach einem neuen Gewerbeverband aufkam. Zwar traf man sich schon zuvor sporadisch zum Gedankenaustausch, aber erst 1958 formierten sich einige der ortsansässigen Gewerbetreibenden zu einer neuen Interessenvereinigung. Treibende Kräfte und Gründungsmitglieder waren die vier engagierten Unternehmer Willi Semmler, (Malerbetrieb), Willi Klemme (Bäckerei), sowie Andreas Ullrich (Baugeschäft), und Heinz Ullrich (Metzgerei). Nachdem sie sich ausführlich bei ihren Sandershäuser Kollegen über deren bisherige Verbandsarbeit informierten, luden sie alle ortsansässigen Gewerbetreibenden per Rundschreiben zu einer Versammlung am 11. September des gleichen Jahres ins Gasthaus Haupt ein und gründeten an diesem Tag die „Ortsvereinigung für Handel, Handwerk und freie Berufe Heiligenrode”, die später in „Gewerbeverband Heiligenrode” umbenannt wurde. Von den 28 Anwesenden wurde Andreas Ullrich zum ersten offiziellen Vorsitzenden gewählt. Bei der Vereinssatzung einigten sich die Mitglieder auf eine neuzeitlich angepasste Version der ehemaligen Ortsgruppe. Nun stand dem Start des politisch neutralen Verbandes in eine erfolgreiche Zukunft nichts mehr im Weg.

„Vor allem für Geschäftsfrauen und die mitarbeitenden Frauen der Unternehmer”, so erinnert sich Anna-Luise Ullrich, die Gattin des Mitbegründers, „brachte der Verband Vorteile.” So konnte mit seiner Hilfe durchgesetzt werden, dass die Geschäfte in Heiligenrode über Mittag geschlossen blieben. „So hatten wir wenigstens ein bisschen Zeit, uns neben Haushalt, Kindern und Geschäft auch mal um andere Dinge zu kümmern. Das war schon eine große Erleichterung.” Stolz war man auch über die Weihnachtsdekoration und -Beleuchtung an den Geschäften, die vom Verband organisiert und ins Leben gerufen wurde und bis heute Heiligenrode jährlich in der Vorweihnachtszeit in einem festlichen Licht erstrahlen lässt.
Die Gemeinde und auch die Kreishandwerkerschaft lobten mehrfach die vorbildliche Arbeit des Verbandes. Gleiche Voraussetzungen bei Auftragsvergaben sicherten den einzelnen Mitgliedsfirmen einen fairen Wettbewerb untereinander, trugen zur positiven Entwicklung der Unternehmen bei und sorgten gleichzeitig dafür, dass über all die Jahre das Miteinander nahezu störungsfrei verlief. Bei den regelmäßig stattfindenden Treffen wurden aufkommende Fragen und Probleme in der großen Runde besprochen und man suchte gemeinsam nach Lösungen. Zur Weiterbildung führte man Seminare zu den unterschiedlichsten Themen durch.

Aber auch die Geselligkeit genoss einen hohen Stellenwert. Um die Gemeinschaft zu fördern wurden viele Aktionen angeboten. Nach den regelmäßigen Versammlungen wurde noch gemeinsam gegessen (und natürlich auch das eine oder andere Gläschen getrunken), und die Mitglieder organisierten abwechselnd gemeinsame Mittagessen oder Kaffeetafeln. Besonders großen Anklang fanden die Bildungs-Reisen, die ab 1964 stattfanden. Mit einem vollen Reisebus ging es nach Paris, Prag, Dänemark, Berlin oder Holland. Eine kleine Abordnung hatte bereits im Herbst 1964 die Gelegenheit, in die DDR zu reisen und in Erfurt mit dort ansässigen Organisationen über die wirtschaftliche Lage Ostdeutschlands zu sprechen. Abgeschlossen wurde diese Reise mit einem Besuch der Erfurter Gartenausstellung „ega”.

Darüber hinaus wurde jeden Sommer ein großes Grillfest mit Spielen und Unterhaltung organisiert und im Monat Dezember fanden stimmungsvolle Weihnachtsfeiern oder elegante Wintervergnügen statt. Bei Gründungsmitglied Willi Semmler ist vor allem eines in Erinnerung geblieben: „Gala-Kleidung, großes Buffet und exzellente Unterhaltung bildeten den stilvollen Rahmen für einen angemessenen Jahresausklang. Der Zusammenhalt unter den Mitgliedern war groß.”

Seit dem 09.09.2013 ist der Gewerbeverband eingetragener Verein (e.V.)